ICH HÄTT´ GERN DEINE BEWERBUNG – ABER GLAUB JA NICHT, DASS ICH SIE WERTSCHÄTZE!

Quelle: www.piqs.de - © Fotograf: Fox – Titel: Dollar

Das Interim Management-Geschäft hat inzwischen die sozialen Medien erreicht – besonders XING (nationales Geschäft), aber auch LinkedIn (internationales Geschäft); Facebook jedoch nicht.

 

Inzwischen hat man sich offenbar daran gewöhnt, dass dort bei mindestens einem Drittel aller Ausschreibungen (durchaus von namhaften Vermittlern) nicht mehr angegeben wird, in welcher Branche der suchende Kunde tätig ist.

 

Mich wundert das schon. Denn, täten wir das gleiche, würden wir gleich von zwei Seiten verhauen: Von den Kunden („Erfahrung in unserer Branche ist ein KO-Kriterium für uns!“) – aber auch von den Interim Managern („Ich muss doch wissen, welche Expertise erforderlich ist!“).

 

Social Media ist halt weniger formell!

 

Weniger formell schon, aber offensichtlich auch weniger professionell.

 

Noch mehr beunruhigt mich aber ein neues Verhaltensmuster, das auf Seiten der Vermittler eindeutig zu erkennen ist. Ich vermeide den Begriff „Provider“, denn so jemanden hätten wir im AIMP sicher schon längst zur Seite genommen – falls wir ihn denn überhaupt aufgenommen hätten.

 

Mich beunruhigen die Sätze, mit denen Ausschreibungen (durchaus von namhaften Vermittlern) enden – und die dann so lauten:

 

„Über Anfragen mit CV bis Anfang nächster Woche freue ich mich unter brilliant.staff@supercompany.com, mit Verständnis kann nicht auf jede einzelne Anfrage persönlich eingegangen werden.“

 

Dies ist tatsächlich ein getreues Zitat vom Freitag (!) der vorletzten Woche bei XING – abgesehen von der E-Mailadresse, die ich gütig verschleiert habe.

 

Nein, es geht mir hier nicht so sehr um die fehlenden Wörter und den krubbeligen Satzbau. Obwohl auch daraus auf den Grad an Professionalität des Vermittlers geschlossen werden kann.

 

Vielmehr bin ich über den Inhalt fassungslos. Dass ein „Consultant – Interim Management“ so etwas über die Computer-Tastatur bringt – und dass sein Boss das vollkommen entspannt zulässt, ist mir schier unbegreiflich.

 

Auch außerhalb der zugegebenermaßen mitunter überkritischen Denkwelt des Ministers der Finsternis ist die Botschaft eindeutig:

 

Macht Euch mal die Mühe, mir Eure Bewerbungsunterlagen zu senden – und das bitte flott! –, denn ich möchte mit Euch gutes Geld verdienen. Damit das gelingen kann, muss ich mir leider die Arbeit aufhalsen, den ganzen Kram, den Ihr mir senden werdet, auch noch zu lesen.

 

Das wird mich an die Grenzen meiner persönlichen Belastbarkeit führen – und deshalb kann ich Euch nicht obendrein auch noch antworten, geschweige denn persönlich auf Euer Zeug eingehen.

 

Oder in einem Satz:

 

Ich hätt´ gern Deine Bewerbung – aber glaub ja nicht, dass ich sie wertschätze!

 

DAS HABE ICH IN MEINER GANZEN ZEIT ALS INTERIM MANAGER NOCH NIE ERLEBT. KOMPLIMENT!

So Manches kritisieren die Interim Manager an „den“ Providern. Auffallend oft jedoch kommt die Kritik unter der Überschrift „Erst war alles furchtbar eilig – und dann hört man als Interim Manager nichts mehr“!

 

Als diese Kritik vor einigen Jahren erstmals aufkam, da hatte mich das völlig überrascht. Noch mehr jedoch die lapidare Antwort eines Kollegen: „Wenn wir nicht antworten, kommt der Interim Manager nicht länger für das Projekt in Frage! Das ist selbstredend: Das müssen wir doch nicht extra schreiben.“

 

Nun wissen wir seit frühen Kindesbeinen, dass eine ausgeprägte Interessenlage im letzten Monat des Jahres und kommunikationsleere Wartezeiten keine guten Freunde sind:

 

„Bekomme ich mein Auto, meine Puppe – oder doch nicht? (Okay, wir sind in der Antike: Heute fragen bereits kleine Kinder nach iPhones, iPads oder vergleichbarem iRrsinn).

 

Alle Jahre wieder schien uns die Wartezeit bis zum Vierundzwanzigsten gegen Unendlich zu tendieren. Vor allem, weil niemand irgendetwas sagte. In der heroischen Absicht, „es soll(e) doch eine Überraschung sein“, wurden Heerscharen von Kindern von Gelübde-gleich schweigenden Eltern systematisch in Ungewissheit gehalten.

 

Und mit Ungewissheit können wir Menschen ganz schlecht umgehen. Allein die Aussage des Vaters zum Beispiel, „Junge, vergiss es!“, hätte die ganze Ungewissheit hinweggefegt und der Stichtag 24. 12. hätte ganz erheblich an Zugkraft eingebüßt. Ob ich mich besser gefühlt hätte, steht auf einem anderen Blatt.

 

Was folgt aus alldem?

 

Null-Kommunikation und Warteschleifen vertragen sich nicht!

 

Und weil Interim Manager unmittelbar nach einer Projektanfrage stets in eine Warteschleife einfliegen, haben wir hier bei MANATNET ein paar simple Prozesse eingeführt. Sie sollen sicherstellen, dass ausnahmslos jedes Feedback und jede Information, die wir vom Kunden erhalten, in spätestens einer Stunde an den jeweiligen Interim Manager weitergeleitet werden.

 

Kein Hexenwerk also – ganz besonders heute, wo wir eine nahezu perfekte Technik nutzen können.

 

Jedoch: Offenbar ist das noch immer nicht Standard im Markt – worauf die Mail eines Interim Managers von vorgestern hindeutet:

 

„Sehr geehrter Herr Becker,

 

ganz herzlichen Dank für Ihr regelmäßiges Update. Es ist schon sehr bemerkenswert, dass Herr [Kunde] Sie, und dadurch auch mich, so zeitnah über Terminänderungen informiert.

 

Das habe ich in meiner ganzen Zeit als Interim Manager noch nie erlebt. Kompliment!“

FAIRPLAY IM INTERIM MANAGEMENT

Situationen gibt es im Interim-Geschäft, die sind einfach blöd:

 

Wir erhalten eine Anfrage für einen Interim Manager Personal: ausgerechnet! Nur die Anfragen nach Projektmanagern in der Automobilindustrie treiben derzeit meinen Puls noch höher.

 

Unsere Datenbank identifiziert sieben Kandidaten, die angeben, verfügbar zu sein. Und es beginnt das alt-bekannte Spiel, auf das ich hier mehrfach eingegangen bin: Ich schreibe eine Mail, stelle das Projekt vor und bitte darum, die eigene Verfügbarkeit zu bestätigen.

 

Zwei sind doch nicht verfügbar, zwei antworten nicht, drei sind verfügbar – und ich stelle sie folglich dem Kunden vor. Zwei davon lehnt er ab.

 

Soweit nichts Besonderes – wenn man davon absieht, das ich einen Fehler gemacht habe.

 

Spätestens nachdem der Kunde zwei von drei Kandidaten abgelehnt hatte, hätte ich den einen Kandidaten, der nicht geantwortet hatte, anrufen sollen:

 

Ich kenne ihn persönlich, ich schätze ihn – und sein Profil passt genau auf das, was der Kunde sucht.

 

Hab´ ich aber nicht: Weil in der Zwischenzeit die Automobilbauer keine Ruhe lassen, weil meine private Situation fernab jedes Ponyhofes ist oder weil der Newsletter anstand.

 

Der aber führte dann zu folgendem Mailwechsel, weil wir die Projekte und die Interim Manager auf der dazugehörigen Shortlist im Newsletter eben offen legen:

 

Interim Manager:

 

„Hallo Herr Becker,

 

ich habe die Juni 2012-Auswertung durchgesehen und bin etwas erstaunt. In der Vergabe der Position „HR-Manager (operativ und strategisch)“ ist INMAN Nr. 519 gelb gekennzeichnet – was bedeutet, „reagierte nicht“. Mir ist nicht bewusst, eine Anfrage erhalten zu haben??? Selbst wenn die Position ggf. nicht passen würde, so würde ich mich auf eine Anfrage grundsätzlich melden. Ich würde zumindest den Sachverhalt gerne aufgeklärt wissen. Können Sie mich dabei unterstützen? Wie hat mich die Anfrage erreicht? Mail – Telefon ?“

 

Ich sende ihm eine Kopie meiner Mail „Bitte um Bestätigung Ihrer Verfügbarkeit“.

 

„Sehr geehrter Herr Becker,

 

herzlichen Dank für die schnelle Rückmeldung. Um es kurz zu sagen – es war mein Fehler. Im Rahmen meiner IT-Aktualisierung ist diese Mail bei der Umstellung auf IMAP-Konten „als gelesen“ markiert worden (ich vermute einen Bedienfehler meinerseits), sodass ich Ihre Mail nicht wahrgenommen habe. Die Ausschreibung passte nahezu perfekt. Ich habe ja über 15 Jahre in der IT im Bankensektor.

 

Vermutlich ist bereits alles gelaufen?“

 

Ich antworte:

 

„Ich fürchte schon, Herr Interim Manager,

 

denn heute stellt sich die Kandidatin im zweiten Interview der Geschäftsführung vor.

 

Ich schlage vor, wir warten mal ab, wie das heute läuft: Man kann ja die tollsten Dinge erleben. Sollten sich beide Parteien nicht einig werden, dann liefere ich Ihre Unterlagen nach. Ich habe inzwischen einen ganz guten Draht zum Kunden.

 

„Die Ausschreibung passte nahezu perfekt.“ Nicht schlecht, unsere Datenbank, nicht wahr?“

 

Die Antwort des Interim Managers schreibt Geschichte in unserem Unternehmen:

 

„Ihre Datenbank, die Transparenz und das faire Geschäftsgebaren Ihrerseits sind für mich einzigartig im Markt. Die von Ihnen gelieferten Daten helfen mir z.B. auch in der Preisfindung. Zudem „inspirieren“ mich die Daten, meine eigene CRM-Datenbank mit Leben zu füllen, da ich die Aussagekraft Ihrer Reports sehr schätze.“

 

Am nächsten Morgen erreicht mich die Nachricht vom Kunden, dass der Termin mit der Kandidatin verschoben werden muss. Ich nutze dieses Fenster, um dem Kunden zusätzlich den Kandidaten 519 vorzustellen.

 

Ich denke, so geht das:

 

Fairplay im Interim Management