Freitag 26. Oktober 2012

IN PHOTOSHOP NÜTZT DIR NEOFIN-DOKU REIN GAR NICHTS!

Fotograf wollte ich werden. Die schulischen Leistungen litten darunter in massiver Weise. Ich gehöre daher zur erlesenen Randgruppe der Abiturienten, deren humanistisches Reifezeugnis feierlich mit dem Prädikat „Hängum cum Würgum“ ausgezeichnet wurde.

 

Fotograf wollte ich werden. Mein Vater hat das zwar nicht geblockt, vor Urzeiten, aber der damals beliebte väterliche Rat, „Lern erst mal ´was G´scheit´s!“, tat seine Wirkung – und ließ mich ins Bankgeschäft abdriften. Fotografie wurde somit zum Hobby. Zu einem richtigen, mit einiger Ernsthaftigkeit und dem Streben nach überprüfbar guten Bildern betriebenen.

 

Die Werbung hat Menschen wie mich früh als attraktive Zielgruppe erkannt und dafür den Titel „Ernsthafte Amateure“ geprägt.

 

Wer möchte nicht „ernsthaft“ sein, sich von den Knipsern kollektiver Belanglosigkeiten absetzen – und sich auf diese Weise sein sauer verdientes Geld aus der Tasche ziehen lassen?

 

Im Ergebnis nannte ich drei Gehäuse (Jargon: Bodies) der Marke Olympus und etwa ein halbes Dutzend Objektive mein Eigen. Plus Dunkelkammer. Plus Diaprojektor von Braun. Plus Blitzausrüstung. Plus ungezähltes weiteres Spielzeug.

 

Dann dräute die Digitalfotografie.

 

Ganz leicht und luftig erst – mit Sony´s Mavica (1981), als erstem Schritt in eine neue Ära. Bemerkenswert: Der Treiber hinter dieser Innovation war damals der Umweltschutz. Der enorme Verbrauch von Silber als Rohstoff für die Film-Emulsionen wurde als sehr kritisch angesehen. Niedlich, nicht wahr?

 

Grinsend habe ich das damals zur Kenntnis genommen.

 

Aber dann kam das Internet. Dann kamen bessere Sensoren. Dann kamen neu gerechnete Objektive. Dann kamen Innovationen im Vierteljahrestakt.

 

Kleinlaut musste ich eingestehen: Da kommt Dramatisches auf uns zu. Wie heißt es so schön: eine Art Paradigmenwechsel!

 

Allerdings hatte ich persönlich die Auswirkungen noch immer unterschätzt. Die Auswirkungen des Internets niemals, die Auswirkungen der Digitalfotografie jedoch sicher.

 

Heute ist Fakt: Es gibt mehr Bilder als jemals zuvor – von einer schier unglaublichen Banalität. Oftmals im Vorbeigehen mit Smartphones aufgenommen und für die Ewigkeit konserviert auf lokalen, heimischen Speichern, auf Facebook und Twitter, in der Cloud und sonst wo.

 

Und es gibt eine überbordende Foto-Technik, die einem den Atem raubt.

 

Selbst einem alten Recken wie mir, der die Definition der Begriffe Parallaxenausgleich, Schwarzschild-Effekt und Scheimpflug-Regel noch heute im Schlaf herunterbeten kann.

 

Ich bin vor Jahren die ersten Schritte in Richtung Digitalfotografie gegangen – mit einer Kodak: nicht zu fassen! Später kam eine kleine Olympus. Verschämt gebe ich zu: Zum Lernen und zum Üben halt.

 

Jetzt habe ich investiert in die OM-D E-M5 – ein semiprofessionelles Juwel, zumindest. Ja, es stimmt: Ich habe eine gewisse Markenaffinität und ich stehe halt auf Ästhetik!

 

Vorab hatte ich das Buch zur Kamera erworben. Die ersten Worte lassen mich noch jetzt erschaudern: „Stellen Sie zunächst ein paar Dinge im Setup der Kamera um. Die Werkseinstellungen sind in vielen Bereichen nicht optimal.“

 

Nun ist die Kamera da – und obendrein die Gebrauchsanweisung.

 

Ich habe tatsächlich angedacht, mich für etwa zwei Wochen in Klausur nach Kloster Eberbach zurückzuziehen, um das Ganze auch nur zu verinnerlichen.

 

Vielleicht nicht nur dafür. Denn, angestoßen durch diese Erfahrung, beherrscht meinen Kopf wieder diese Frage, die sich seit Jahren durch mein Hirn frisst: Wie zum Teufel können die meisten Interim Manager so unerschütterlich selbstsicher annehmen, ohne permanente Weiterbildung auf Dauer klarzukommen?

 

Merke:

 

In Photoshop nützt Dir Neofin-Doku rein gar nichts!*

 

 

* Die foto-antiken Asse unter uns sehen mir den Hinweis für alle anderen Leser bitte nach: Neofin-Doku war ein Feinkorn-Entwickler der Firma Tetenal für Schwarz-Weiß-Filme, mit dem man niedrigempfindliche Silberhalogenid-Filme wie z. B. den Agfapan 25 zu höchster Detail-Schärfe entwickeln konnte. Das wiederum erlaubte große Formate für das Papier-Bild im Positiv-Prozess mit exzellenter Schärfe, enormem Detail-Reichtum und gleichzeitig hohem Tonwert-Umfang. Ich glaube, die Hälfte der Wörter in diesem PS kennt die Generation Facebook gar nicht!

 

Freitag 19. Oktober 2012

RAUCHEND GEOPFERT AUF DEM ALTAR DER KUNDENORIENTIERUNG

© Fotograf: Volker Boehm – Titel: Juergen_Becker_AfterWork_III_PR_MarCom_Walk-The_Line_Gaetano_Gross

Am vergangenen Freitag gab´s keinen Blogeintrag von mir. Und prompt haben meine treuesten Leser noch am gleichen Nachmittag bei Facebook nachgehakt, was den los sei.

 

Kleinlaut musste ich zugeben: Blog fällt aus! Das zweite Mal in einer gefühlten Ewigkeit.

 

Diejenigen unter meinen Lesern, die mich gut kennen, wissen: Ich gelte als Meister des Zeitmanagements. Auf diese Fähigkeit – errötend gebe ich das zu – bin ich recht stolz; erlaubt sie es mir doch, Stress so gut wie gar nicht erst aufkommen zu lassen:

 

Wenn ich stets weiß, an welchem Tag ich was bis wann erledigt haben muss – dann weiß ich, welche Freiräume ich mir noch mit weiterer Arbeit zupacken kann oder halt eben nicht. Diese – wieder einmal: – Transparenz ist die Grundlage für vieles – vor allem für ein „Nein“, mit dem sich die meisten Menschen halt schwer tun. Meine ganz persönliche Firewall!

 

Die einzigen Attacken, der meine Firewall regelmäßig zum Opfer fällt, führt immer die gleiche Partei aus. Sie trägt vor sich her das Banner mit dem goldbestickten Namen „Kunde“ – untertitelt in kursiven, schimmernden Lettern: „König“.

 

Ja, ich fürchte nur diese Partei! Nicht, weil ich Angst habe! Nein, ganz und gar nicht.

 

Ich fürchte diese Partei, weil ich seit den ersten Schritten bei der Dresdner Bank, in längst verrotteten Räumen und längst verblichenen Zeiten, so geprägt bin, ihr alles unterzuordnen:

 

Der Kunde geht immer vor.

 

An dieser Prägung wurde ohne Unterbrechung weiter gearbeitet, gefeilt – bis zu debis-Zeiten zur Jahrtausendwende. Selbst der CEO, Karl Heinz Achinger, hatte dem Kunden immer und ausnahmslos alles untergeordnet. Auch Termine, die wir mit ihm selbst, Achinger, gemacht hatten, kippte er ohne zu zögern, wenn ein Kunde rief.

 

Das hat mich immer schwer beeindruckt!

 

Das hat mich geprägt. Lange war ich stolz auf diese Prägung – nennen wir sie: Absolute und uneingeschränkte Kundenorientierung.

 

Heute bin ich jedoch davon überzeugt: Diese Prägung schwächt mich gleichzeitig. Sie schwächt mich, weil sie es als einzige schafft, meine ganz persönliche Firewall einzureißen und dadurch Chaos und Tumulte auf meiner Seite zu verursachen.

 

Es lag ein sauberer Plan hinter dieser Firewall – samt dazu gehöriger sauberer Taktung. Er hätte sichergestellt, dass meine Rede für die Vernissage (nebenbei: ich bereite so etwas vor) am kommenden Tag ebenso fertiggestellt gewesen wäre wie mein Blogeintrag am darauffolgenden Tag.

 

Die Attacke des Kunden in Form einer Anfrage ließ die Firewall jedoch in sich zusammenfallen, die daraufhin Planung und Taktung krachend unter sich begrub. Und ich sah zu dabei – mit tränen-feuchtem Auge: Boabdils letzte Träne beim Fall der Alhambra – „Suspiro del Moro“, so lautet ein Tryptichon von Gaetano Groß: Eins meiner Lieblingswerke von ihm.

 

Rede und Blog schieben.

 

Vorbereitungen und Kommunikation mit den infrage kommenden Interim Managern vorziehen auf den Abend. Vom Büro aus. Alles andere absagen. Koffer später packen – am besten komplett an die Gattin delegieren.

 

Früh am Morgen die Antworten der Interim Manager zur Verfügbarkeit prüfen: Ich hasse frühes Aufstehen!

 

Mobiles Büro im Fond der Limousine einrichten. Rechner: normalen Akku gegen fetten Akku austauschen.

 

Los.

 

Die Aktualisierungen veralteter Lebensläufe kurz vor Toresschluss vom Auto aus auf die Server laden. Warum muss das so laufen?

 

Liefern der Profile an den Kunden von der A7 bei Tempo 130 km/h über Mobilfunk. Ja, liebe Kollegen, das geht! Allerdings nur wenn die beste aller Ehefrauen fährt – oder der beste aller Söhne.

 

Die verbliebenen Kilometer der A7 werden der Rede zur Eröffnung der Kunstausstellung gewidmet:

 

Es gelang leidlich.

 

Hinten an vertrocknete mein Blogeintrag. In mein Hirn drängt sich: Das klassische Omega-Tier, das freimütig und ohne zu zögern geopfert wird, um das Rudel zu erhalten. Da ging er hin, mein Blogeintrag, flankiert vom wehenden, goldbestickten Banner:

 

Rauchend geopfert auf dem Altar der Kundenorientierung.

 

Freitag 05. Oktober 2012

AM ANFANG WAR DAS WORT – AM ENDE DAS SMARTPHONE

© Fotograf: Pedro Ribeiro Simões – Titel: Talking

Wenn ich auf das Geschäft des Interim Management-Providers schaue, dann hat das ein paar typische Säulen:

 

Qualität der Interim Manager: Hier gibt es doch einige Scharlatane!

 

Qualität der Anfragen von Unternehmen: Hierüber decke ich nachsichtig den Mantel des Schweigens.

 

Qualität des „Matchings“: Das Zusammenbringen von Angebot und Nachfrage – unser Kerngeschäft.

 

Sicher, es gibt noch ein paar andere Säulen, die ich aber allesamt als weniger wichtig einschätze.

 

Mit einer Ausnahme: Kommunikation!

 

MANATNET wird im kommenden Jahr zehn Jahre alt – und trotz aller Unkenrufe und Anfeindungen in den frühen Jahren: MANATNET gibt´s immer noch!

 

In diesen zehn Jahren habe ich gelernt: Die mit Abstand wichtigste Säule ist die Kommunikation – auch im Interim Management. Wen eigentlich kann das überraschen? So tickt unser Geschäft, so ticken andere Geschäfte: So tickt unsere Welt.

 

Information ist heute überall und jederzeit verfügbar. Ein Zustand, den vor etwa 15 Jahren – noch in Zeiten von Netscape – selbst wir uns bei debis nicht vorstellen konnten. Und wir wurden wirklich oft genug für unsere „abenteuerlichen Visionen“ verspottet.

 

Die Kommunikationstechnik erlaubt es uns inzwischen, jedem immer überall und sofort antworten zu können, wenn wir das eben wollen. Die Zauberwörter heißen: Mobiles Internet, Flatrates und Smartphones. Und, nicht dass ich falsch verstanden werde: Ich finde das toll! Welch´ ein Segen! Welche Möglichkeiten!

 

Ich habe irgendwo gelesen, in Deutschland habe nahezu jeder zweite solch ein Smartphone.

 

Nun frage ich mich seit einiger Zeit: Was zum Teufel machen die mit den Dingern?

 

Antworten kommen spät oder aber gar nicht. Feedback kommt gar nicht oder nur aufgrund einer Nachfassaktion von uns. Antworten auf Quittungsfragen dauern eine gefühlte Ewigkeit.

 

Von Unternehmen ebenso, wie von Interim Managern – wenn ich von Profis aus der Liga Kai Otte oder Thorsten Soll einmal absehe.

 

Vielleicht sollten wir uns ein wenig besinnen:

 

Ich bin zutiefst davon überzeugt: Niemand wird zum Kommunikations-Ass, indem er das neue IPhone 5 strahlend vorzeigen kann.

 

Ich werde dadurch zum Kommunikations-Ass, dass ich den Dialog mit meinem Gegenüber aufrechterhalte. Und ein solcher Dialog ist nicht dadurch gekennzeichnet, dass man zwischendurch zu Bett geht.

 

Und ich werde dadurch zum Kommunikations-Ass, indem ich mein Gegenüber stets aktuell informiert halte. Das ist der Kern. Das ist aber auch alles. Mehr braucht´s doch gar nicht!

 

Jedoch: Das gelingt nur durch Worte, keinesfalls durch hochauflösende Displays, schnelle Prozessoren oder gar ein Meer von Apps.

 

Mir scheint, wir sind dabei, eben das zu verlernen.

 

Und das trotz der auf Kommunikation ausgerichteten Spitzen-Technik, ja vielleicht sogar wegen der tollen Technik, die uns zur Verfügung steht. Ein Werkzeug letztlich, wenn auch eins aus der Hochtechnologie – das aber so viele von uns so unsagbar innig lieben, dass sie sich nicht einmal im Restaurant davon trennen mögen.

 

Ich lechze nach einem Rück-Besinnen an genau dieser Stelle. Derzeit jedoch sehe ich noch ein Bild vor meinem Tränen-feuchten Auge:

 

Am Anfang war das Wort – am Ende das Smartphone

 

 

PS: Dieser Blog-Eintrag zum Thema „Kommunikation“ wird mit meinem bisher höchsten Wert (0,33) vom Blablameter abgestraft. Ich bin erschüttert. Ich sollte eine Selbstfindungsgruppe aufsuchen…