Freitag 23. Mai 2014

WAS DU NICHT WILLST, DAS MAN DIR TU´, DAS FÜG´ AUCH KEINEM ANDEREN ZU

Reflexionen2_Foto_Juergen_BeckerAn der Umfrage „Werteorientiertes Interim Management“ hatte ich als Beta-Tester bereits teilgenommen. Nun ist die Umfrage von Yvonn Hürten, die sie im Rahmen ihres Zertifikatskurses „Interim Executive“ bei der European Business School (EBS), durchführt, in der Endfassung online.

 

Lange hat mich eine Umfrage zum Interim Management nicht mehr so nachhaltig beschäftigt. Nicht nur, weil sie mich wirklich zum Nachdenken gezwungen hat – anders als die AIMP-Providerumfrage, wo die Daten bei MANATNET bereits fertig vorliegen, noch bevor der Fragebogen von Frau Dr. Vera Bloemer versandt wird.

 

Die Fragen schienen aus einer anderen Welt zu kommen. Und so schrieb ich denn Frau Hürten nach meinem Beta-Test:

 

ZITAT

 

Ich habe mich mit dem Fragebogen extrem schwer getan:

 

Ich habe viele Fragen mehrfach lesen müssen – und war mir dennoch nicht in jedem Fall sicher, sie richtig verstanden zu haben. Bei vielen Fragen blitzte durch mein Hirn: „Weiß ich nicht!“

 

Das mag daran liegen, dass ich ausgeprägter Praktiker bin, der nach den „Hanseatischen Kaufmannsgepflogenheiten“ agiert – und regelmäßig spürt, wie sehr man dadurch in heutigen Zeiten allein sein kann. Auch halte ich zum Beispiel von Mission/Vision-Spielereien rein gar nichts, solange sich der Großteil der Führungskräfte in den deutschen Unternehmen verhält, wie er sich verhält: Sonntagsreden – und danach wird dicht am „Psychopathentum“ agiert.

 

Zudem beschäftigt mich die Frage, wie die Werte eines Unternehmens mit den Werten der Individuen, die eben dieses Unternehmen bilden, zur Deckung gebracht werden sollen. Zu unterstellen, dass jeder (neue) Mitarbeiter eine kongruente Wertewelt hat, ist sicher naiv. Die existierende Wertewelt der Mitarbeiter dann in Richtung Wertewelt des jeweiligen Unternehmens zu entwickeln, dürfte aus meiner ganz persönlichen Sicht kaum möglich sein. In meinem Hinterkopf blinkt der Begriff „Seelen-Wäsche“ – und da wird mir ganz komisch.

 

Das ist sicher eine Besonderheit auf meiner Seite. Deshalb sollten Sie unbedingt weitere, anders geprägte Beta-Tester um ihr Feedback bitten.

 

ZITAT ENDE

 

Der Minister der Finsternis stemmt sich gegen die Wucht der Erfahrungen aus dem Tagesgeschäft:

 

Menschen, die in allerletzter Minute unangemeldet zum AMIP-Jahresforum erscheinen, alles vor Ort zum Rotieren bringen – und dann ihre Rechnung nicht bezahlen.

 

Kunden, die mich die ganze über zehn Jahre aufgebaute Maschinerie anwerfen und mit einem „Schleppnetz“ durch mein gesamtes Netzwerk fahren lassen, um einen Interim Manager mit sehr außergewöhnlichem Profil zu fischen – um dann in einer abrupten Wendung zu entscheiden, das Thema intern zu lösen.

 

Interim Manager, die die uns zustehende Provision verfrühstücken – und mich in eine bis über das Jahresende hinausgehende Ratenvereinbarung zwingen, nur um die Privatinsolvenz für eben diesen Interim Manager zu vermeiden.

 

Interim Manager, die sich von uns auf ein Projekt vermitteln lassen und dann bestreiten, dass uns eine Provision zusteht, weil sie ja eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit ausübten. Und vor Gericht auch noch weitgehend Recht bekommen.

 

Kunden, die noch nie Interim Manager beschäftigt haben und deshalb beim Betreten von Neuland gern meine helfende Hand ergreifen – vom Schreiben des Anforderungsprofils bis zum Briefing für das Interview. Die mich mit den Kandidaten anreisen lassen – und dann, mehr als eine Woche nach dem Reißen der selbstgesetzten Deadline, durch eine Assistentin absagen lassen, ohne auch nur einen Hauch einer Begründung zu liefern.

 

Ich kann diese Liste noch ein gutes Stück verlängern: Mache ich aber nicht!

 

Ich habe gelernt, solche Sachen „wegzuatmen“. Ich nehme sie zur Kenntnis, aber ärgern oder gar verletzen können sie mich nicht mehr.

 

Das fällt mir umso leichter, weil ich das große Glück habe, in meiner Tätigkeit als Interim Provider mit zahlreichen wirklich tollen Menschen zusammenarbeiten zu können: Professionell und menschlich stark.

 

Die Kehrseite der Medaille: Die Pappnasen fallen umso mehr auf!

 

Werte sind deshalb für mich zunächst einmal ein ur-individuelles Thema. Da ist seit Kindesbeinen schon viel konditioniert, bevor ein Mensch auch nur ein Unternehmen von innen sehen wird. Wir wissen alle, wie schwer es ist, Konditionierung zu ändern – und gegen die Bereitschaft des Einzelnen hierzu geht da rein gar nichts.

 

Zudem ändern sich Werte im Laufe der Zeit. Denken wir nur an das Rauchen: Hier schwang das Werte-Pendel innerhalb von rund sechzig Jahren von „Der/die ist frei, emanzipiert, modern und cool“ zu „Das Kollektiv gefährdender und daher zu verachtender Untermensch“.

 

Alles nicht so einfach also. Vielleicht ist ein Leitsatz der Altvordern nach wie vor eine gute Richtlinie. Ohne Vision, Mission und anderem Brimborium – mit seinem Ursprung wohl in der Bibel:

 

Was Du nicht willst, das man Dir tu´, das füg´ auch keinem anderen zu.

 

Kommentare

  • 01
    nonojo schrieb...

    Ich hätte da auch noch einen, lieber Herr Becker: Auftraggeber, denen der Arsch so brennt, weil das ganze Haus lichterloh in Flammen steht, die aber am Ende eines Interim Management-Mandates, welches selbigen, den Arsch, deutlich abgekühlt hat, kaltschnäuzig meinen, die letzte Rechnung kürzen zu können. Weil sie selbst die Kündigungsfrist versäumt haben, obwohl der Interim Manager deutliche Hinweise gegeben hat.

    Die Anwälte freuen sich.

    Der Profi nimmt´s gelassen…

    Ach, und noch einer: „Top“-Provider, die das vollständige Honorar pünktlich vom Kunden kassiert haben, aber den Interim Manager zwingen, bis zur letzten Instanz zu klagen, bevor sie dessen hart verdienten Anteil rausrücken. Zwar nicht meine persönliche Baustelle, aber absolut mit Beweisen untermauert.

    Oder der Fall, dass eine Ergebnisbeteiligung des Interim Managers für den Unternehmensverkauf vereinbart war. Und sich die Unternehmerfamilie nach dem Verkauf ziert. Da hilft nur eine saubere Dokumentation. Und gute Anwälte.

    Werteverfall und Heuchler top down nennt man sowas wohl.

    Kein Wunder, wenn noch mehr sogenannte „Prominenz“ gehoenesst und gezumwinkelt wird.

    Aber muss denn die Scheisse immer von oben nach unten laufen….?

    Ich mach das nicht mit.

    Und wenn es das Mandat kosten sollte.

    Dafür bin ich mir zu schade.

  • 02
    nonojo schrieb...

    Ich vergaß doch glatt noch die Talkshowbewohner:“ … geschwarzert (Alice ist der Name) und gesommert (ZEIT)…. “ Bestimmt habe ich noch ein paar von diesen Sonntagsrednern aus dem Staatspropaganda-TV vergessen.
    Da müssen wir IM wohl mal wieder der Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit in unseren Mandaten im positiven Sinne die Lanze brechen!

  • 03
    Klarspüler schrieb...

    Im Rahmen des letzten AIMP-Jahresforums auf Burg Schwarzenstein hat Louis Lewitan aus seinem Buch „Die Kunst, gelassen zu bleiben“ zitiert.

    Ich habe dieses Buch erworben und gelesen.

    Herr Lewitan hat für sein Buch zahlreiche Menschen interviewt – unter anderem Thomas Fox.

    Auf die Frage: „Was tun Sie konkret, um Vertrauen herzustellen? antwortet Fox:

    „Ich bin einfach ehrlich. Bei mir ist ein Ja ein Ja, ein Nein ein Nein, und ein ‚Ich weiß es nicht‘ ist auch ein absolut aufrichtiges ‚Ich weiß es nicht‘. Eine vierte Antwort lautet: „Darüber kann ich jetzt nicht sprechen.“

    So einfach ist das – wenn Sie richtig gut sind.
    Wenn es nicht so einfach ist, dann sind Sie nicht richtig gut.