Freitag 23. Juni 2017

INTERIM MANAGEMENT WAR KEINEN GEDANKEN WERT!

Interim_Management_Blog_Foto_Juergen_Becker_Steinernes_Meer_2017Irgendwann wurde ich sechzig!

 

Ein schöner, ein besonderer Geburtstag: Eine kleine Feier in üppigem Rahmen und eine größere Feier in rustikalem Rahmen.

 

Meine Gäste, meine Freunde beschenkten mich im Gegenzug reich – ja üppig!

 

Meine Whisky-Vorräte wurden in einem Umfang aufgestockt, dass ich jeder neuen Prohibition milde lächelnd entgegen sehe.

 

Auch Gutscheine gab´s. Einer ist noch offen – den anderen habe ich in dieser nun zu Ende gehenden Woche einlösen dürfen: Eine Hüttentour im Steinernen Meer in den Berchtesgadener Alpen.

 

Woll´t ich immer schon mal machen! Kein Problem – als gewiefter Jogger. Dachte ich…

 

Dabei hätte mich bereits der Prozess mit der Überschrift „Wie erwerbe ich das richtige Schuhwerk“ überdeutlich warnen müssen:

 

„Brauchen Sie meine Hilfe, mein Herr?“

 

„Ja, gern. Ich brauche Schuhe für eine Hütten-Tour! Aber die hier sehen alle gleich aus…!“

 

„In Ordnung, dann gehen wir mal rüber zu den Herrenschuhen….“

 

Einer der wertvollsten Menschen, die ich habe, diente als Bergführer. Sein Name sei an dieser Stelle aus Diskretionsgründen verschwiegen. Er erstellt die Packliste. Ich erwerbe erst, dann packe ich. Den Rest bringt der Bergführer mit.

 

Einschließlich ein paar Wanderstöcke. Pah, Stöcke und ich….!

 

Wir werden drei Hütten anlaufen und dort auch übernachten. Die Ingolstädter Hütte ist unser erstes Ziel. Wir stellen den Wagen ab auf einem Parkplatz auf etwa 1.600m – die Hütte liegt auf gut 2.100m.

 

Kleinigkeit.

Ein Auf und Ab – wie im Leben

 

Nach ein paar Kehren im saftigen Grün aufwärts und an einer Käse-Alm mit ihren dösig dreinblickenden Kühen am Wegesrand vorbei – geht’s abwärts.

 

Wie abwärts?

 

Die Flora und Fauna weicht Stein und Schneefeldern. Ich versuche den Blick-Kontakt zur Hütte herzustellen. Vergeblich!

 

Der Bergführer ermuntert mich mit seinem „Gemma, gemma!“, das mich die nächsten Tage begleiten wird – und verschweigt mir die volle Wahrheit, wie er das auch in den kommenden Tagen tun wird.

 

Wir klettern.

 

Die Schritte werden schwer. Ich bitte untertänig um die Stöcke….

 

„Gemma, gemma! Ist nicht mehr weit…!“

 

Ich kann kaum noch einen Schritt vor den anderen setzen.

 

„Schaust, da sammer!“

 

Am fernen Horizont schimmert im späten Nachmittagslicht die Ingolstädter Hütte.

 

Meine Jogging-gestählten Füße fragen die knapp zwei Meter höher liegende Kommando-Zentrale, ob eine Sicherung durchgebrannt sei…

 

Ich denke an Ötzi.

 

Auf irgendeine magische Art und Weise erreiche ich die Ingolstädter Hütte. Essen, den unfassbaren Blick genießen – und schlafen. Um 22.00 Uhr! Ja, das geht prima.

 

Der nächste Tag zum Kärlingerhaus mit unserem Abstieg auf gut 1.600 Meter dient der „Erholung – denn morgen wird´s ein wenig anziehen. Aber dann bist ja trainiert!“, sagt mein Bergführer in entwaffnender Ehrlichkeit.

 

Im Nachhinein die Untertreibung des Monats!

 

500m rauf – Steine – zum Riemannhaus. Kurze Rast. 300m runter – Steine und Schneefelder. Weit und breit niemand außer mir und dem Bergführer. Niemand, nichts. Nur Steine. Und Schnee. Und Schotter.

Du bist ein Nichts!

 

Dann wieder 500m rauf – Steine, Schneefelder, Schotter, „Gemma, gemma. Do issa scho, der Grat!“

 

Am Grat werde ich begrüßt von 5 Bergziegen, die mich blökend zu verhöhnen scheinen. Unfassbar!

 

Abwärts. Steine. Schotter.

 

Ich gebe es auf, die Meter nachzuhalten. Ich laufe rein mechanisch. Noch eine Stunde. Dann:

 

„Do is scho die Hütt´n!“ bemerkt mein Bergführer gutgelaunt!

 

Ich sehe schemenhaft im Abendlicht die Peter Wiechenthaler Hütte auf 1.750m. Mein Hirn meldet: „Topographie runter ins Tal – und dann wieder rauf auf die Hütte!“ und folgert: „Nur per Interkontinentalflug zu erreichen!“.

 

Dennoch: Wir kommen an. Wie, weiß ich nicht. Aber wir kommen an. Die neue, fesche Hüttenwirtin ist die personifizierte gute Laune!

 

Wir schlafen wie die Steine. Auch der Bergführer – was ihn irgendwie menschlich macht.

 

Der Abstieg geht in die Knie: das ist aber auch alles. Wir lassen es uns nicht nehmen, die Einsiedelei kurz zu besuchen – was, na klar, einen fulminanten Aufstieg bedeutet. „Gemma, gemma…!

 

Heute Morgen schreibe ich diesen Blogeintrag von einem der schönsten Hotels aus, das ich je besuchen durfte. Mit Blick auf die Berge, die meine Perspektive völlig neu definiert haben.

 

„Auf so oaner Toua, do bist holt ganz bei Dia! Dös erdet!“ sagt der Bergführer. Und dem hat sein Novize nichts hinzuzufügen. Aber auch gar nichts!

 

Und eins ist so sicher wie ich das hier schreibe:

 

Interim Management war keinen Gedanken wert!