Freitag 09. Dezember 2016

VERROHEN DIE SITTEN IM INTERIM MANAGEMENT?

Interim_Management_Blog_Foto_Juergen_Becker_Rabenmaler_Dresden_2016„Ich habe dieser Tage erfahren, dass sich die Sitten bei Interim Managern sehr verändert haben! Nämlich, dass Leute ein Projekt zusagen und dann nicht erscheinen, weil sie ein anderes bekommen konnten, das ihnen, warum auch immer, besser zusagt. Können Sie so ein Verhalten aus Ihrer Praxis bestätigen?“ So lautete am Mittwoch die Nachricht einer sehr geschätzten Kundin.

 

Nun, ich kann dieses Verhalten aus meiner Praxis nicht bestätigen. Aus der Praxis befreundeter Provider hingegen schon.

 

Was mich am Verhalten dieser Interim Manager stört, ist folgendes – und daran gibt es nichts zu beschönigen:

 

Wenn ich etwas zusage, dann halte ich meine Zusage. Das ist der Sinn einer Zusage! Und ich erwarte ein ebensolches Verhalten von meinen Geschäftspartnern. Der Bruch einer Zusage beendet in meiner Welt die Zusammenarbeit unmittelbar und unwiderruflich. (Ja, ich weiß: Andere sehen das anders…)

 

Wenn wir uns weit genug zurücklehnen und das Geschehen aus der Distanz betrachten, dann wird dieses Verhalten einiger Interim Manager zwar nicht besser. Es gesellt sich jedoch ein im Ansatz vergleichbar unschönes Verhalten der Unternehmen hinzu: Das Absagen eines Interim-Mandates auf der Ziellinie, weil man „gerade eben noch eine interne Lösung gefunden hat“. Und das muss ich, leider, durchaus auch aus eigener Praxis bestätigen – und wir wissen aus den AIMP-Providerumfragen: Da bin ich dann doch in allerbester Gesellschaft!

Beide Partner nicht wirklich professionell

 

Nun wird der eine oder andere Leser einwenden, dies sei nicht vergleichbar, denn in diesem Fall der „internen Lösung aus heiter blauem Himmel“ hat es noch keine Zusage des Unternehmens gegeben. Das ist richtig. Dennoch: In beiden Fällen verhält sich einer der Partner nicht wirklich professionell:

 

Der Interim Manager, der den Kunden – die Lösung vor Augen! – zurückstößt auf Feld eins. Mit all den unschönen Facetten für den Kunden: Vom internen Spießrutenlauf („Ich denke, Interim Manager sind so professionelle Typen?“), bis zum peinlichen Versuch, andere Kandidaten doch noch zu reaktivieren, denen man eben erst abgesagt hatte.

 

Das Unternehmen, das den Interim Manager und oftmals zusätzlich einen oder mehrere Interim-Provider vorführt, ohne überhaupt Bedarf für seine oder ihre Dienstleistung zu haben. Denn, davon gehe ich nicht ab: Eine Personalabteilung eines Unternehmens, die nicht jede denkbare interne Option vorab geprüft hat, macht schlicht und ergreifend keinen guten Job. Aus meiner unmaßgeblichen Sicht legt ein solches Unternehmen zudem Schwächen in der eigenen Führungskräfteentwicklung offen.

 

Deshalb kann nicht die Frage sein, welches Verhalten das weniger Schlimme ist. Die Frage kann nur sein, wie wir beide Verhaltensmuster in Zukunft vermeiden.

Einfache Antwort: Seid ehrlich zu einander!

 

Die Antwort auf diese Frage ist verblüffend einfach. Sie lautet: Seid ehrlich zueinander!

 

Kein Unternehmen wird kritisieren können, wenn ein Interim Manager im ersten Gespräch festhält, dass er zum gegebenen Zeitpunkt mehrere Optionen verfolgt. Und dass er sich am Ende für das beste „Paket“ aus Attraktivität der Aufgabe, des Unternehmens, der Laufzeit und des Tagessatzes entscheiden wird. Letztlich wird auch das Unternehmen so agieren, auch wenn es andere Parameter zum „Paket“ schnüren wird. Dass ein Unternehmen sich im Gegenzug einen starken „Plan B“ erarbeiten wird, für den Fall, dass sich der Interim Manager anderweitig entscheidet, ist selbstverständlich und wird daher keinen professionellen Interim Manager überraschen.

 

Kein Interim Manager wird im Gegenzug kritisieren, wenn ein Unternehmen von Beginn an kommuniziert: „Wir sind uns noch nicht wirklich im Klaren, was wir tun werden. Wir prüfen daher derzeit alle Optionen, die wir haben. Eine davon ist das Interim Management – aber eben nur eine! Jedoch wird uns das Gespräch mit Ihnen sicher helfen, die für uns beste Lösung zu erarbeiten.“

 

Smarte Interim Manager reagieren darauf mit dem Angebot, bei dieser Prüfung zu unterstützen – und ziehen ihre Schlüsse daraus, wie das Unternehmen auf dieses Angebot reagiert. Wieder andere Interim Manager bitten das Unternehmen, die Gespräche erneut aufzunehmen, wenn der interne Prüfprozess abgeschlossen ist – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass sie dann möglicherweise nicht mehr zur Verfügung stehen.

 

So in etwa werden sich Profis verhalten und so enttäuschte Erwartungshaltungen vermeiden. Sie stellen auf diese Weise auch den gegenseitigen Respekt sicher – eine auch in heutigen Zeiten nicht zu unterschätzende Haltung …

 

Als Nebeneffekt stellt sie sich dann überraschenderweise nicht mehr, diese Frage:

 

Verrohen die Sitten im Interim Management?

 

Kommentare

  • 01
    Annette Elias schrieb...

    Hallo Herr Becker,
    professionelles und ehrliches Miteinander sollte eigentlich immer die Basis der Zusammenarbeit sein. Unsere Erfahrungen sind in allen Punkten deckungsgleich. Meine Kollegin befragt Kunden bei dem telefonischen Erstkontakt immer sehr vehement nach dem Thema „Interne Lösung“. Letzte Woche sogar mit den Worten: „Sind Sie wirklich sicher, dass Sie intern niemanden haben… auch nicht den Schwager einer Nachbarin des stellvertretenden Produktionsleiter?“… Zuverlässige Kommunikation ist da der Schlüssel und vereinfacht für alle die Zusammenarbeit.

  • 02
    Johannes T. Rathmer schrieb...

    Hallo Her Becker,

    ich stimme Frau Elias und Ihnen zu: „Professionelles und ehrliches Miteinander“ sind von allen beteiligten Seiten (Interim Manager Provider Kunde) zu erwarten.

    Eine „Verrohung der Sitten“ habe ich aber generell nicht feststellen können, auch wenn ich schon auf „verrohte Sitten“ gestossen bin.

    Aber es ist wie im „normalen Leben“: Es gibt die Seriösen und es gibt die …

    Wenn man spürt, dass scheinbar „falsch gespielt“ wird, muss man als erfahrener Markt-Teilnehmer einfach seine Entscheidung treffen. Und man spürt diese „Signale“ sofort 😉