Dienstag 11. November 2025

INTERIM MANAGEMENT: NICHTSTUN HAT KEINE KOSTENSTELLE!

Auf LinkedIn boomt das Interim Management – zumindest, wenn man den Posts aus der Szene-Blase glaubt. In der Realität dagegen herrscht Flaute. Während die Interim-Szene intoniert, „Gerade jetzt brauchen Unternehmen Interim Manager!“, trifft sie auf die kalte Realität in den Unternehmen: „Gerade jetzt hat der Vorstand Beraterverbot ausgesprochen!“

 

Die deutsche Wirtschaft befindet sich nun seit Jahren in einer Wachstumsschwäche. Die Gründe sind mannigfach und tun an dieser Stelle nichts zur Sache.

 

Wichtiger ist es, wie die deutsche Wirtschaft in der Breite darauf reagiert – einzelne Unternehmen reagieren sicher anders: Aber darum geht es mir nicht.

 

Auf die permanenten Forderungen an die Politik, doch bitte die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen flugs zu verbessern, möchte ich hier ebenso wenig eingehen.

 

Die sonstigen Reaktionsmuster der deutschen Wirtschaft sind:

 

(1) Investitions-Zurückhaltung und Rationalisierung

 

(2) Verlagerung und Diversifizierung der Wertschöpfung / Produktion

 

(3) Fokus auf Effizienz, Kostensenkung und Wandel statt Wachstumsschub

 

Wer mag, findet hier die Details.

Bisherige Königsbranchen auf der Intensivstation

Es kann nicht schaden, an dieser Stelle auf folgenden Sachverhalt hinzuweisen: Seit über 20 Jahren arbeite ich im Interim-Business. Und genauso lange nennt der AIMP in seinen jährlichen Marktstudien die Automobilindustrie, den Maschinenbau und die Chemie stets die „Königsbranchen“. Und gerade diese Branchen liegen auf der Intensivstation: „Geschäftsklima in der Chemie bricht ein„.

 

Wie viel muss ich verdrängen, um hier ein ideales Umfeld für das Interim-Business zu erkennen?

 

Wie rosarot muss meine Brille sein, damit ich annehme, dass die Industrie zig zehntausend Jobs abbaut – dann aber frohgemut auf Interim Manager und Managerinnen zurückgreift? Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Betriebsrat!

 

Keinen Insider wird daher überraschen, dass das Interim-Geschäft derzeit schwierig ist. Sehr schwierig.

 

Erst in der vergangenen Woche hat die Deutsche Interim AG in ihrem Trendbarometer davon berichtet, dass 17% der teilnehmenden gut 630 Interim Manager und Managerinnen angeben, dass sie zu weniger als 20% ausgelastet seien.

 

Ein Interim Manager kommentiert auf LinkedIn entwaffnend offen: „Leider gehöre ich zu den 17% – ohne Sicht auf Besserung!“ Mein ehrlicher Respekt für diese Offenheit – die so ganz untypisch ist für die LinkedIn-Blase …

Ein Parforce-Ritt ohnegleichen

Aus Sicht überraschend vieler Player ist das abwartende Verhalten der Unternehmen seit Monaten der Nährboden für einen Parforce-Ritt ohnegleichen – unter der Maxime: „Wir müssen den Unternehmen klarmachen, dass in den aktuellen Gegebenheiten Interim Management die ideale Lösung ist!

 

Und dann folgen wieder seit Jahren gleichen Litaneien – nur diesmal vorgetragen von deutlich jüngeren Stimmen.:

 

(1) Knowhow: Interim Manager bringen exakt das Knowhow, das genau jetzt fehlt. Heute ganz besonders KI. Klar…

 

(2) Investition statt Kosten: Interim Manager sind eigentlich keine Kosten, sondern Investitionen. Schade, dass Investitionen aktuell nicht unbedingt en vogue sind…

 

(3) Return on Interim Management (ROIM): Interim Manager verdienen im Schnitt gut das 5-Fache – in der Spitze bis zum 100-fachen der eigenen Kosten (!) wieder zurück. Verblüffender Weise lässt sich kaum ein Interim Manager auf ein variables Honorarmodell ein…

 

(4) Transformation und Change: Transformation und Change – schwierig für viele Unternehmen. Alltag hingegen für Interim Manager …

 

(5) Allein können die Unternehmen die aktuellen Themen nicht stemmen: Hierfür braucht´s schon die Elite der Interim Manager. Da wird dann auch schon mal schweres Geschütz aufgefahren: „Die größte Lüge in Unternehmen? ‚Wir schaffen das auch ohne Hilfe.’“ Himmel, schenke mir nur eine Spur dieses Selbstbewusstseins!

 

Derzeit kommt eine Facette hinzu, die nicht so abgedroschen wirkt:

 

(6) Cost of vacancy: Die Szene rechnet den Unternehmen vor, wie viel es kostet, eine Stelle nicht besetzt zu haben – und schafft es damit bis ins ehrwürdige Handelsblatt. Und da werden dann durchaus 130.000 Euro genannt – für einen Buchhalter im Jahr 2023. Merke: Im Jahr 2025 ist alles noch viel schlimmer…!

Die Oberlehrer sind da!

Diese Litaneien, dieses Oberlehrerhafte nerven mich seit Jahren. Und ich bin ziemlich sicher: nicht nur mich! Belegen könnte ich’s – aber das würde hier den Rahmen sprengen.

 

 

Die hohe Schule ist es jedoch, den Oberlehrer dann bei LinkedIn zu mimen! Auf dass sich neben den einschlägigen Claqueuren aus der Interim-Szene („Danke XYZ, für Deinen wertvollen Post: Genau so ist es!“) vielleicht sich auch das eine oder andere Unternehmen auf diesen Post verirren und in der Folge bejubeln möge:

 

„Großartig! Auf diese Information habe ich mein gesamtes Berufsleben gewartet! Endlich sagt´s mir mal jemand! Lass uns unbedingt darüber sprechen, wie Eure Interim Manager und Managerinnen unser Unternehmen endlich retten können!“

Das ist so fern ab vom echten Leben im Unternehmen wie nur eben denkbar.

 

Während auf LinkedIn der große Aufbruch gepredigt wird, sieht´s im echten Leben der Unternehmen eher so aus:

 

(1) Keine Geschäftsreisen. Keine Bewirtung. Ausnahmen nur mit Genehmigung des Vorstands!

 

(2) Berater raus: Und: Keine neuen Berater rein!

 

(3) Alle Projekte auf den Prüfstand: Die Wirtschaftlichkeitsberechnung ist auf der Basis der veränderten wirtschaftlichen Lage neu zu erstellen!“

 

(4) Einstellungsstopp: Ausnahmen nur mit Genehmigung des Vorstands.

 

Willkommen in der Realität!

 

Ich habe vor langen Jahren mal folgendes Gespräch mit einem Vorstand geführt:

 

„Sagen Sie, wenn Sie nur abwarten und nichts tun: Haben Sie dann keine Sorge, dass Sie Wettbewerbsnachteile erleiden?“

 

„Nein. Solange mein Wettbewerb auch abwartet und nichts tut ist alles okay…“

 

„Verstehe. Aber, wenn Sie abwarten und nichts tun, vergeben Sie dann möglicherweise Zukunftschancen für Ihr Unternehmen?“

 

„Mag sein: Aber Nichtstun hat halt keine Kostenstelle…!“

 

Gerade die letzte Aussage begleitet mich seit nunmehr fast 10 Jahren.

 

Natürlich helfen wir auch jetzt Unternehmen mit Interim Managern und Managerinnen – ich eingeschlossen. Aber Hand aufs Herz: Das sind Ausnahmen. Besondere Fälle. Wenn´s wirklich nicht mehr anders geht.

 

Aber einen Wachstumsmarkt, gar einen boomenden Markt kann ich hier beim besten Willen nicht erkennen.

 

(Email Adresse wird nicht veröffentlicht)