Freitag 18. Mai 2012

EINIGE SIND SMART – ANDERE NICHT!

„Von vielen Unternehmen wird Interim Management als zu teuer angesehen. Können Sie das Argument nachvollziehen? Bei einem durchschnittlichen Tagessatz von 1.000 Euro auf einer Position mit einem Jahresgehalt von 100.000 Euro wäre ein Interim Manager bereits ab dem 100. Tag teuer als ein Festangestellter. Oder?“

 

So lautete eine von 7 Fragen, die mir ein Journalist zur AIMP-Providerumfrage 2012 stellte. Ich habe sie geduldig beantwortet, denn das ist eine der Kernaufgaben des AIMP, Informationen zu liefern:

 

„Ich kann das Argument nachvollziehen und ich komme dabei zu dem Schluss, dass es falsch ist und von bemerkenswerten betriebswirtschaftlichen Schwächen zeugt:

 

Diese Rechnung lässt zumindest sämtliche Nebenkosten für den festangestellten Mitarbeiter außen vor wie z. B. die gesamten Sozialabgaben. Es lässt 30 Tage Urlaub ebenso außen vor wie Krankheit und Weiterbildung. Es lässt Rekrutierungskosten unberücksichtigt und auch mögliche Trennungskosten.

 

Wenn Sie genau und auf Basis „Fully Loaded Cost“ rechnen, dann werden Sie feststellen, dass ein Interim Manager nur unwesentlich mehr kostet, als ein festangestellter Mitarbeiter.

 

Zudem: Wenn Unternehmen einen solchen Vergleich konsequent gelten lassen, dann dürften sie nie einen Mietwagen nutzen. Sie tun es dennoch – auch, weil sie auf das Fahrzeug nicht drei Monate warten müssen, sondern kurzfristig losfahren können – um es dann, einige Zeit später, einfach wieder abzugeben.“

 

Ich gebe gern zu: Bei dieser Frage standen mir die Haare zu Berge. Nicht nur, weil ein Journalist diese Frage stellt, sondern vor allem, weil er sich auf „viele Unternehmen“ beruft.

 

Wir erleben offenbar eine enorme Spreizung in den deutschen Unternehmen, denn das Handelsblatt schreibt am gleichen Tag zu einem durchaus vergleichbaren Thema: „Nutzfahrzeugvermieter stocken ihre Flotten wieder auf“. Im Text erläutert das Handelsblatt:

 

„Denn vor allem mittelständische Unternehmen wollten mehr Flexibilität bei weniger Vertrags- oder Kapitalbindung. Vorsichtig sind sie geworden, die Kunden, und zugleich beweglicher: Miete erlaubt ihnen, Größe und Zusammensetzung der Flotten dynamisch an den aktuellen Bedarf anzupassen. …

 

Die „atmende Flotte“ ist mehr als ein aktives Liquiditätsmanagement, sie senkt auch betriebliche und saisonale Risiken. … Die Speditionen bevorzugten nach der Krise den absolut gesehen zwar teureren, dafür aber flexibleren und weniger kapitalintensiven Weg der Miete.“ (Quelle für alle Zitate: Handelsblatt)

 

Auch das kann ich nachvollziehen. Jede einzelne Aussage.

 

Wenn man das ganz zu Ende denkt, dann verlagern diese Unternehmen das Risiko der Kapitalbindung auf die Dienstleister – nicht dumm angesichts nennenswerter wirtschaftlicher Risiken.

 

Die Analogie gilt auch für Zeitarbeit und Interim Management: Hier verlagern die Unternehmen das Risiko der „Bindung“ auf Zeitarbeits-Unternehmen und Zeitarbeiter – und beim Interim Management allein auf den Interim Manager als Unternehmer in eigener Sache.

 

Solche Denkansätze würde ich gern einmal diskutieren – mit Journalisten und mit Unternehmen. Und was machen wir stattdessen? BWL-Basics.

 

Aber es ist halt so:

 

Einige sind smart – andere nicht!

 

Kommentare

  • 01
    Kai Otte schrieb...

    Diesen Post sollte jeder, der als Interim Manager tätig ist, unbedingt lesen, denn ich wage die Behauptung, dass sich derzeit nicht jeder einer derart anschaulichen und zugleich stichhaltigen Argumentation bei der Projektakquise bedient – ich eingeschlossen; der Mietwagenvergleich hat es mir jetzt ehrlich angetan. Oder anders ausgedruckt: Diese Zeilen sind bares Geld wert 😉

  • 02
    Dr. Frank Knoche schrieb...

    Sehr schön zusammengefasst.

    Mit einem nicht smarten Konzern hatte ich letzten Freitag zu tun: Anruf eines Providers: Einem internationalen Konzern sei ein festangestellter Manager „abhanden“ gekommen und man suche sehr kurzfristig einen Interim Manager zur Vakanzüberbrückung. So weit so gut. So weit so klar. „Allerdings…“, so der Provider, „… ist der Kunde sehr preissensibel“. „Welchen Tagessatz stellt sich der Kunde denn vor?“, fragte ich. Kurze Stille am anderen Ende der Leitung. „Na ja, XXX Euro… und zwar inklusive Spesen“, so der Provider. Ich musste mich kurz sammeln, lehnte dankend ab, konnte mir aber eine letzte Frage an den Provider nicht verkneifen: „Darf ich fragen, wie viele verfügbare Kandidaten bereit sind zu diesem Tagessatz für den Kunden tätig zu werden?“ „Ja, dürfen Sie“, antwortete der freundliche Provider. „Wir konnten keinen Kandidaten identifizieren, aber wir haben es jedenfalls versucht.“

    Leider kein Einzelfall im Jahr 2012, dass Angebot und Nachfrage einfach nicht zusammen kommen.